aus: (Zw)ei(n)sam
Ein märchenhaftes Palindrom vom Verstehen und Vergeben
Seine Augen hatten sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt und der junge Mann schaute sich in dem kleinen Raum um. Ein Kellerverlies, stellte er wenig überrascht fest, als er die Gitterstangen entdeckte, die ihn vom Gang trennten. Immerhin gab es eine Tür, bemerkte er als Nächstes, nur hatte sie ein Schloss, wie ihm dann auffiel, und er hatte keinen Schlüssel. Aber der junge Mann wurde nicht einmal traurig darüber. Dann würde er einfach liegen bleiben, denn wie viele junge Männer (und hier möchte ich doch noch einmal auf die Menschen im Allgemeinen hinweisen) hoffte er einfach darauf, dass irgendwann schon jemand kommen, ihn über seine Situation aufklären und schließlich befreien würde. Also schlief er wieder ein, wachte auf, sah die Tür, hoffte und schlief wieder ein.
So ging es eine kleine Ewigkeit, und er vergaß sogar, dass er in der Zwischenzeit auch noch ein Leben führte. Dieses war nur noch dazu da, anderen die Schuld an seiner Lage zu geben – die Welt mit Jahrmarkt, Zucker und Vergnügen hatte er längst vergessen. Ich kann ewig so weitermachen, dachte er sich, doch gingen ihm langsam die Gründe aus, warum andere verantwortlich dafür waren, dass er mal wieder im Keller aufgewacht war. Da wurde er plötzlich wütend auf sich selbst und belegte sich mit einem furchtbaren Fluch: Er würde der Sonne erst wieder unter die Augen treten, bis er endlich verstanden hatte. Aber auch das war schnell eine kleine Ewigkeit her und er war immer noch unglücklich. Auch kam niemand, um ihn zu befreien und verstanden hatte er immer noch nicht.
Von Zeit zu Zeit reichte ihm jemand etwas belegtes Pizzabrot in seine Zelle (im Keller ernähren sich junge Männer hauptsächlich davon), doch wusste er, dass diese reichenden Hände ihm nicht helfen konnten. Sie taten es trotzdem. Denn eines Tages servierten sie ihm ein kaltes Essen, und da der junge Mann nun schon sehr lange im Keller gewesen war und seine Sehnsucht nach der Sonne immer größer wurde, platzte seine ganze Wut aus ihm heraus. Verärgert trat er gegen die Tür und verlangte lautstark nach Wiedergutmachung. Schließlich beruhigte er sich wieder, legte sich hin und schlief ein. Er wachte auf, sah die Tür, schlief wieder ein und wachte gleich wieder auf, denn die Tür war offen. Ich habe gar keinen Schlüssel gebraucht, bemerkte der junge Mann, ich brauchte einfach nur loszugehen. Und so machte er sich auf den Weg, denn er wollte endlich verstehen und er hatte große Sehnsucht nach der Sonne.
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