“Turn it around”, sagte der bullige Typ hinter dem Drehkreuz. Pa Smith führte die Karte noch einmal andersherum unter den Scanner. So ähnlich musste es in der Grenzkontrolle eines amerikanischen Flughafens zugehen. Pa Smith wollte aber nur in diese Sportarena, die nach einem der großen Limonadenhersteller unserer Zeit benannt worden war.
Alles hatten sie ihm besorgt. Die Karte, das Hotelzimmer, sogar das Taxi. Nach dem Spiel sollte er zum Ausgang kommen, hatten sie ihm gesagt. Da würden sie ihn zum Treffen abholen. Zum letzten Mal war es im Sommer gewesen, davor an Weihnachten. Da hatte Jordan erzählt, dass die Profiteams interessiert wären und er zur neuen Saison wohl unter den ersten 10 oder 20 Junioren ausgewählt werden würde.
Pa Smith hatte nicht nach Jordans Lieblingsteam gefragt, das war vermessen. Man konnte froh sein, wenn man einen Vertrag unterzeichnen durfte. 300 Meilen war vergleichsweise nah bei der Familie, auch wenn Pa Smith nun keines von Jordans Spielen mehr gesehen hatte. Die waren in den letzten Monaten allesamt in der Reservemannschaft gewesen. Doch Jordan hatte sicher nie an Aufgeben gedacht, und heute war der Tag gekommen.
Nachdem ihn der bullige Typ auch noch mit einem Metalldetektor – ein Gerät, das aussah, wie der abgebrochene Ast-Arm eines Schneemanns – abgescannt hatte, durfte Pa Smith die Arena endlich betreten. Um ihn wuselten die Menschen, auch viele Familien waren hier. Gut 20.000 Leute kamen zu einem ausverkauften Spiel. Heute war es weniger voll, schließlich waren die Playoffs für das Team längst verpasst. Sie waren abgeschlagen Letzter. Für Pa Smith dagegen war es das größte Spiel überhaupt.
Section B-119. Pa Smith steuerte auf einen der Fahrstühle zu. Er hatte Glück, dass der gerade seine Türen öffnete. Ein Mann offensichtlich mit seinen zwei Kindern betrat vor ihm den Lift. Die Kinder trugen die rot-blauen Trikots des Teams. In den Händen hielten sie Popcorn und Cola. Das würde er sich auch gleich besorgen, dachte er. Wohlwollend lächelte er den Vater an.
“Have fun”, sagte der Mann, als sie auf der nächsten Etage den Fahrstuhl verließen.
“Yes”, gab Pa Smith zurück und wurde gleich wieder aufgeregt. “Good game.”
“Yeah, good game. Let’s hope so. Maybe they will be better than in the 60 games before.”
Der Vater lachte, nahm dann seine beiden Kinder an die Hand und verschwank nach links in den Gang. Hier waren nur noch wenige Zuschauer unterwegs. Wenigstens würde er also schnell an sein Popcorn kommen, dachte Pa Smith, als er einen der Imbiss-Stände aufsuchte.
“Sweet or salty?”
“Sweet”, sagte er. Natürlich. Was für eine Frage. Und dazu noch eine Cola. Die hatte Jordan auch immer getrunken, wenn sie damals im Winter gespielt hatten. Nur so aus Spaß, auf das selbstgebaute Tor. Auch erst noch ohne Schlittschuhe, aber Jordan wollte einfach nur schießen – auch mit einem Ball statt einem Puck. Immerhin gab der Schnee allem einen angemessenen Rahmen.
Wer hätte gedacht, dass es einmal so weit für ihn gehen würde? Als er mit mit Mitte Vierzig zum dritten Mal Vater geworden war, hatte er mit vielem gerechnet, aber kaum, dass der Name Jordan Smith heute in der Startaufstellung auf dem Videowürfel einer Profimannschaft erscheinen würde. Pa Smith bezahlte und suchte den Block 119 auf.
Ein Ordner wies ihm den Weg in die Reihe an seinen Platz. Pa Smith schob sich an den bereits anwesenden Leute vorbei. “Ladies and gentlemen”, erklang die Stimme des Hallensprechers. “At this time we ask that you please rise and remove your caps as we honor America with the playing of our National Anthem.”
Pa Smith kam genau richtig, und konnte direkt stehen bleiben. Die amerikanische Nationalhmyne erklang, gespielt auf einer Orgel. Pa Smith hielt Ausschau nach Jordan. Nummer 19. Er entdeckte ihn auf der Spielerbank zwischen den anderen. Sie hatte ihre Helme abgesetzt und lauschten mit versteinerter Miene den andächtigen Klängen. Tyler Gravis stand direkt neben ihm. Von dem hatte Jordan als Kind erzählt. Tyler Gravis trug das “C” für Captain auf seinem Trikot.
“For the land of the free…”, hallte es jetzt aus tausenden Kehlen. “And the home of the brave.” Dann brandete frenetischer Applaus auf, was direkt überging in Trommelschläge eines Masskotchens. Irgendeine Vogeltype war dort auf dem Videowürfel eingeblendet. Die hopste durch die Reihen des Publikums und heizte noch mal ein.
Die ersten fünf Spieler jeder Mannschaft gingen zum Eröffnungsbully, der Schiedsrichter warf den Puck ein. Jordan saß auf der Bank.
(to be continued…)
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