Er hatte sie nicht kommen sehen, nur ihr Lachen gehört, dass sie ihm oft geschenkt hatte. Als er sich umblickte, fühlte er den Stich. Sie hatte immer zu ihm gehalten, ihm zugehört, als ihn Zweifel gepackt hatten, und in seinen Augen war es so wenig gewesen, was er hatte zurückgeben können. Und da lächelte er […]
Tausend Hände
Ein Kind hatte sie vor die Brust geschnallt, das zweite führte sie an der linken Hand, in der sie auch eine weiße Tüte trug. Ihre rechte Hand umklammerte eine volle Tiefkühltasche und einen Stab, mit dem sie den Übergang zu ertasten suchte. Da nahm sie jemand an den Arm und führte sie über die Gleise. […]
Schicksal
“Glaubst du an Schicksal?”, fragte er und nahm ihre Hand. Da wusste sie nicht, was sie antworten sollte, denn sie hatte schon zu oft daran geglaubt. Doch sie musste auch nichts sagen, denn sie wusste, dass er sich darum kümmern würde. (41)
Hinkebein
Die Kinder lachten hinter seinem Rücken, wenn er zum Bäcker humpelte, denn sein Knie war steif. Er schaffte mit Mühe einen Schritt, wenn andere schon drei gemacht hatten. Doch er gab sich diese Zeit, die sich andere nicht einmal für’s Frühstück nahmen. Und mit der Brötchentüte in der Hand war der Rückweg nur noch halbsolang. […]
Das Staubkorn
Was sollte sie schon noch tun? Alles glänzte, sie hatte alles fein säuberlich dekoriert und vorbereitet. Jeder Gast würde hochzufrieden sein, doch gleich kam ihr Chef. Sie könnte noch Stunden weiterarbeiten und besser machen, was nicht besser machen zu war, er würde immer ein Staubkorn finden. Schließlich würde es alles sein, wonach er suchen würde. […]
Schaukel
Hoch oben saßen sie an ihrem Lieblingsplatz und ließen sich im Winde schaukeln. Sie hatte ihren Kopf an ihn geschmiegt, oder er seinen an sie, so genau konnte man das nicht unterscheiden. Eine Ewigkeit würden sie sich so von ihrem Ast tragen lassen und dann gemeinsam weiterfliegen. Denn sie waren nur zwei aufgeplusterte Tauben, die […]
Untreue
„Schuldig der Untreue und der unterlassenen Liebesleistung.” Gefassst schaute er hinüber zur Klagebank: „Ich war nicht dein Feind, und ich werde es niemals sein.“ Dann wurde er weggestoßen. Und auch wenn sie nun eine Mauer errichten würde. Eines Tages würde er frei sein, und es für immer bleiben. (48)
Spiegel
Jeden Morgen glotzt er dich von gegenüber an. Er zieht frech seine Mundwinkel nach oben, doch siehst du auch die Trauer in seinen Augen. Dann an einem anderen Tag grinst er höhnisch und fordert dich mit aggressivem Blick heraus. Stehst du etwas weiter links, sieht er noch mal anders aus. Du hast ihn gehasst, weil […]
Puzzle
Schon als sie klopft, fürchtet sie, dass er sie diesmal nicht hereinbitten wird. Mit zittriger Hand drückt sie die Klinke herunter und lugt in sein kleines Zimmer. Das Bett ist leer, der Stuhl ist beseite geschoben. Auf dem Tisch, auf dem sie gewöhnlich das Tablett abstellt, liegt ein fast fertiges Puzzle – nur ein Teil […]