Er war nicht besonders groß, um nicht zu sagen, besonders klein. Seinen wahren Namen kannte indes niemand. Der kleine Mann sagten sie immer nur zu ihm, und da dies noch nicht genug war, hatten sie ihm auch einen viel zu großen Hut aufgesetzt.
So lebte der kleine Mann mit Hut ganz beschaulich, denn er blieb stets ungesehen im Schutze seines Kleidungsstücks. Wann immer er auf eine Gruppe Menschen stieß, zog er sich sogleich zurück, denn mit dem, was er insgeheim dachte und sogar wusste, konnte er andere ganz gewaltig verärgern.
Manche hatten ihm die Angst als Spitznamen gegeben, manche Neid oder gar Hass. Wahrscheinlich war an allem etwas dran, doch auch das war nur die Hälfte der Wahrheit, denn der kleine Mann mit Hut musste sich noch ganz anderer Dämonen erwehren. Seine Welt war grau und sein Vertrauen stützte sich darauf, dass etwas nie gut genug sein konnte und man besser für sich unter seinem Hut bleiben sollte.
Eines Tages jedoch, als ein besonders starker Sturm um die Häuser zog und Regentropfen so groß wie Golfbälle auf die Straßen niederprasselten, dachte der kleine Mann mit Hut, wie wunderbar die Welt doch sei. Er hüpfte durch die Pfützen und lachte über die schlechtgelaunten Fratzen der übrigen Menschen. In seinem gehässigen Freudentanz wurde er jedoch für einen Moment unaufmerksam und als eine Windböe ihm geradewegs entgegen blies, erfasste sie seinen Hut und trug diesen hoch in die Wolken und davon.
Was für ein ulkiger Typ dieser kleine Mann doch war, dachten da die Menschen, die an ihm vorübergingen und zusahen, wie er hilflos in die Lüfte sprang und nach seinem Hut fasste. Nur war der nirgendwo mehr zu sehen, und so konnte fortan jeder dem kleinen Mann ins Gesicht schauen. Wenig gab es da, was der kleine Mann in seinen Ecken und Kanten, seinen Grübchen und Falten, seinen Mundwinkeln und Augenhöhlen, Zähnen und Nasenflügeln nicht offenbarte und so zog sich der kleine Mann zurück, denn es gefiel ihm nicht, bei welchen Namen ihn die Leute nun nannten und dass er ständig mit ihnen darüber in Streit geriert.
Doch umso mehr Zeit sie mit ihm verbrachten, desto mehr entdeckten sie auch seine guten Seiten, bestärkten ihn und munterten ihn auf, und mit Freude und voller Staunen sahen sie dabei zu, wie sich auch der Blick des kleinen Mannes auf die Welt veränderte. Nicht alles strahlte jetzt, aber doch so viel mehr, als er es je für möglich gehalten hatte.
Es war schon einige Zeit vergangen, als dieser nicht mehr ganz so kleine Mann nun ohne Hut auf dem Weg nach Hause war und wieder ein Sturm heftig durch die Straßen fegte. Entschlossen blickte er jetzt den Windböen ins Gesicht und fast hätte er dabei einen kleinen Mann übersehen, der auf der anderen Seite ein belustigendes Schauspiel aufführte und verzweifelt nach seinem Hütchen grabschte. Der große Mann ohne Hut hätte ihm unter die Arme greifen können, wenn er schnell genug hinüber gelaufen wäre, doch lieber sah er in den Himmel und dem Hut dabei zu, wie er von den dunklen Wolken verschluckt wurde.
Celina meint
Schöne Geschichte 🙂
janmikael meint
🙂
Peter Steinz meint
Nette Anektdote (im positiven Sinne), jedoch gefällt mir der plötzliche Wechsel des Zurückziehens des Manns ohne Hut / des Verständnisses der Anderen nicht recht. Es geschicht zu schnell, zu unmittelbar. Hier hätte erzählerisch eine kleine Passage mit vielleicht kindlicher Unbedarftheit (Kinder haben keine Vorurteile und stecken voller Neugierde) eine Brücke geschlagen und würde es so homogener erscheinen lassen.
janmikael meint
Hallo Peter, danke fürs Lesen und die Kritik. Es ist tatsächlich so, dass mit einem erklärenden/lebendigen Mittelteil der Wandel flüssiger und selbverständlicher rübergekommen wäre. Da ich gerade auch etwas anderes schreibe, werde ich dort darauf achten. Danke für den Tipp! =)