aus: (Zw)ei(n)sam
Ein märchenhaftes Palindrom vom Verstehen und Vergeben
Die Zahl Eins ist das Beste und sie ist das Schlimmste. Der Nummer Eins winkt oft ein Lohn, mit sich eins zu sein ist toll, doch einsam zuvor unausweichlich, zuweilen unerträglich.
Der jungen Königin ging es so, denn insgeheim war sie noch wütend auf den König, doch sie wusste, dass jeder von uns eine Vergangenheit hat und man nicht immer mit sich eins sein kann. Das beruhigte sie etwas, denn zudem hatten sich mittlerweile alle Fenster geöffnet – nur das mit dem schönsten Ausblick auf das Stadtleben war noch verschlossen.
„Ich könnte so zufrieden leben“, dachte sie sich, doch dann fielen ihr die beiden Brüder ein und all die anderen Gefangenen, die alle miteinander verwandt waren. Sie wollte zu gerne zuschauen, wie sie in der Stadt ihrem Leben frönten. Außerdem dachte sie immer wieder an die warmen Worte ihrer Großmutter und sie wollte zu gerne eine Königin sein, wie sie es gewesen war. Ihr Display zeigte eine Eins und sie hatte große Angst vor dem Film, den sie sich noch anschauen musste.
Sie hatte die letzte Szene bereits einmal als Kind gesehen, als sie heimlich in den Regierungsraum geschlichen war. Ein junger Mann und eine junge Frau hatten dort blutverschmiert auf einer Wiese gelegen und neben ihnen nur zwei Dolche. Diese Szene und wir ihre Mutter auf dem Thron sitzend bitterlich geweint hatte, waren das Furchtbarste, was die junge Königin jemals gesehen hatte. Sie hatte mit ihrer Mutter nie darüber gesprochen und sie nie trösten können. Nun aber wollte sie verstehen und verstehen konnte sie nur, wenn sie den letzten Gefangenen verstand.
Es vergingen Tage, Woche, Monate, eine große Ewigkeit, niemand weiß das genau, denn es gibt eine Zeit, in der die Zeit nicht mit Zahlen zu ermessen ist und in der eine Eins nicht nur eine Eins ist, sondern der schwierigste Schritt im eigenen Leben. Es winkt ein Lohn, und es ist toll mit sich eins zu sein, und so unausweichlich ist der Schritt wie zuweilen unerträglich. Doch die junge Königin hatte schon so viele Gefangene aus ihrem Keller befreit, sie wollte nun nicht am letzten scheitern. Außerdem kannte sie seine Geschichte nicht einmal und vielleicht würde sie ihn sogar verstehen.
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