Die liebe Zeit ist ein Problem, sagt man so. Was das eigentlich heißen soll, ist eigentlich klar und wiederum auch nicht. Gemeint ist meistens, dass man keine Zeit hat oder die Zeit für etwas verpasst hat oder ähnliches. Nur wie soll die Zeit selbst das Problem sein? Die Zeit ist in ihrem Voranschreiten die sicherste Konstante in der Gleichung unseres Lebens, nur gelebt und empfunden wird sie anders.
Genug des pseudo-philosophischen Vorgeplänkels. Ich habe selbst gerade keine Zeit oder besser kaum Zeit – sonst würde ich ja nicht gerade diesen Beitrag schreiben. Keine Zeit für Schreiben heißt nur, dass ich gerade keine Zeit darauf verwende zu schreiben, es nun aber doch tue, da ich noch von meinem September-Wochenende im Schreibhain in Berlin berichten möchte.
Es ging um das Thema – ihr kommt darauf – Zeit. Zeitprünge, Zeitraffer, das volle Programm. Auch darum, woran man die voranschreitende Zeit oder auch eine Erinnerung/Rückblende in einer Geschichten kennzeichnen kann.
Neben Zeit und Raum, in dem eine Geschichte spielt, ist auch das Tempo ein Faktor. Erzählte Zeit und tatsächliche Zeit der Erzählung stimmen selten überein. Es wird weggelassen, gekürzt, unter- oder übertrieben, die Wahrnehmung verzehrt vor allem in der Retroperspektive. Gerade läuft mir auch schon wieder die Zeit davon, und den Satz habe ich schon vor ein paar Minuten gedacht, schreibe ihn aber erst jetzt. Jedenfalls muss ich los. Zum Abschluss wie immer noch eine Erzählung vom Wochenende.
Schiegenkäse
Haben Sie auch Schiegekäse, dachte Franz-Josef, das würde er fragen, aber Magda würde das sicher nicht lustig finden. Tatsächlich war das nicht einmal die halbe Wahrheit, denn vielmehr fehlte ihm der Mut und die Unbekümmertheit, diese Frage an den Ober zu richten. Bei Kevin war das aners, er machte sich keine großen Gedanken, sagte einfach das, was ihm in den Sinn kam.
“Mama, große Pommes will ich.” Entschlossen klappte Kevin die Speisekarte zu.
Franz-Josef lächelte seinen Sohn an.
“Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt”, hallte es zeitgleich in seinem Kopf.
“Nun lass den Jungen doch selbst entscheiden.”
Beim Essen hatte sich seine Mutter auf Terrain gewagt, auf dem sie noch auf ein letztes Recht von Mitsprache gepocht hatte.
“Es ist Sonntag. Der Braten ist im Angebot”, wiederholte sich die Stimme seines Vaters.
“Wenn er denn nun mal etwas anderes möchte.” Wieder seine Mutter.
“Es wird gegessen, was auf den Tisch konmmt.” Sein Vater, womit Ruhe herrschte am Tisch.
Der panierte Schafskäse oder das Steilpilzragout mit Ziegenkäse.
“Hast du schon gewählte?”, wandte sich Magda an ihn. “Wie wär’s mit dem Braten? Der ist im Angebot.”
Franz-Josef saß angespannt im Stuhl, er war der Stuhl, unbeweglich und entschlussunfreudig. Schließlich war es nicht leicht eine Entscheidung zu treffen, wenn man ohne die Freiheit jener Möglichkeit aufgewachsen war. Die Schiege, dachte Franz-Josef, die gab es nicht.
“Ich nehme auch die Pommes”, sagte er und klappte die Speisekarte zu.
Kevin richtete sich in seinem Stuhl auf und griff nach der Hand seines Vaters.
P.S.
Die Geschichte “Schiegenkäse” inspiriert von der gleichnamigen Schiege in Göttingen stammt vom ersten September-Wochenende im Berliner Schreibhain, der Beitrag vom 21.September, aber erst heute habe ich ihn veröffentlicht – soviel zum Thema Zeit 😉
Celina meint
Wo sind hier eigentlich die “Gefällt-Mir-Buttons”? 😉
janmikael meint
gefällt mir 🙂