Ein märchenhaftes Palindrom vom Verstehen und Vergeben
Teil 1
Es war einmal ein Märchen (und ich habe auch nicht daran geglaubt, bis ich es ich selbst erlebt habe), in dem ein junger Mann in einem Keller auf einer alten Holzpritsche aufwachte. Es ging ihm schlecht – so schlecht wie es jungen Männern (und Menschen im Allgemeinen – den Hinweis lasse ich ab hier weg) geht, wenn sie etwas bereuen, was sie am Vortag getan haben. Manche bereuen vielleicht nicht, schieben es auf die Umstände oder geben anderen die Schuld. Dann stehen sie auf und gehen einfach weiter. Vielleicht war der junge Mann selbst einmal so gewesen, vielleicht hatte er nur die üblichen Fehler begangen, vielleicht war er auch ein Idiot oder er hatte einfach nur Pech gehabt. Doch wie immer, wenn einem jungen Mann (hier habe ich das Menschen im Allgemeinen erstmals weggelassen) etwas Schlimmes widerfährt oder anstellt, wacht er trotzdem wieder auf. Vielleicht trägt er seinen Schmerz und Frust in die Welt hinaus, vielleicht tritt er auf der Stelle oder er beginnt damit zu verstehen. Und vielleicht ist es nicht einmal so, dass er eine Wahl hat. Denn nach jedem Drama wird dieser junger Mann zwangsläufig wieder in seinem Keller erwachen.
1.1 – Der Keller
1.2 – Der Trinker
1.3 – Der Nörgler
1.4 – Die Brüder
1.5 – Der Schuhmacher
1.6 – Die Untreue
1.7 – Der Bäckermeister
1.8 – Die Leiter
Teil 2
Ein Märchen ohne die große Liebe, fragt ihr euch. Nein, natürlich nicht, denn wo jemand eins ist, ist die zwei oft nicht weit. Nun werdet ihr bestimmt denken, so ein Märchen habe ich schon tausendmal gehört und ihr habt vollkommen Recht. Ihr habt es sicher schon tausendmal gehört, wie es sicher auch schon tausendmal niedergeschrieben worden ist und wie es tausendmal in der Welt geschieht – jeden Tag, jede Woche und jedes Jahr. Aber auch dieses Märchen ist wieder anders:
Es war nämlich auch einmal eine junge Königin, die zurückgezogen in ihrem Turm lebte. Ihre Mutter war schon lange fort und mit ihr lebte nur ein junger Mann, von dem sie nicht sicher war, ob er jemals der König werden würde. Somit war sie zwar nicht allein, im Herzen aber schon, denn sie sehnte sich so sehr nach einem König an ihrer Seite. Da sie aber alle Türen und Fenster verschlossen hielt, musste es der junge Mann sein. Es gab keine andere Möglichkeit, sagte sie sich dann und wurde insgeheim sehr traurig darüber.
Am schlimmsten überkam es sie, wenn sie sich in der Kleiderkammer vor dem Spiegel betrachtete. Ich verdiene es nicht anders, sagte sie sich dann, denn sie hatte längst vergessen, dass sie wunderschön war. Sie hatte es zwar oft gehört, aber sie glaubte nicht mehr daran – denn in der Zwischenzeit hatte sie viel gespeist und den Turm nicht mehr verlassen. Ich verdiene es nicht anders, sagte sie wieder und wendete sich von ihrem Spiegelbild ab, denn niemand schaut sich gerne an, wenn er das, was er offenbart, nicht gerne sehen möchte (das gilt nicht nur für junge Königinnen).
Auch das Volk hatte sich längst vom Königshaus abgewandt, denn ihre Mutter war eine strenge Herrscherin gewesen, und die junge Königin traute sich nicht, die Stimme über ihr Königreich zu erheben. So blieb sie unglücklich und wäre es vielleicht für den Rest ihrer Tage geblieben, hätte ihre Mutter sie nicht eines Nachts aufgesucht.
2.1 – Im Turm
2.2 – Der Trinker
2.3 – Der Nörgler
2.4 – Die Brüder
2.5 – Der Schuhmacher
2.6 – Die Untreue
2.7 – Im Turm
2.8 – Der Bäckermeister